Katja Schneidt ist wirklich Katja Schneidt. Sie ist auch tatsächlich die sehr blonde, sehr blauäugige Frau, die sich fürs Buchcover in ein blaues Tuch gehüllt hat. Wer das Buch zugeklappt hat und ihre 260 Seiten lange Geschichte kennt, hätte damit nicht gerechnet. Denn zurückgelassen haben wir die junge Frau dort mit Todesangst. Die Geschichte, die sie erzählt hat, ist die einer Liebe, die fatal hätte enden können.
«Ja, es ist voll und ganz meine echte Identität», sagt Schneidt. «Es war eine lange Überlegung, aber ich will ja mit dem Buch was bewegen.» Sie will deutschen Frauen eine Stimme geben, die in bikulturellen Beziehungen leben, Gewalt erfahren und sich doch nicht lösen können. «Es gibt inzwischen ein paar Bücher von türkischen Frauen. Aber die Deutschen werden völlig vergessen.» Sie will diesen Frauen eine Botschaft mitgeben: «Wenn ihr in so einer Beziehung lebt, befreit euch daraus, es gibt ein Leben danach.» Doch das gehe nur, wenn sie sich nicht selbst verstecke. Deshalb macht sie das Gegenteil: Sie ist grenzenlos offen und nennt alle beim Namen.
Katja Schneidt hat eines dieser Bücher geschrieben, deren Seiten sich von allein umblättern. Jeden Abend sitzt Mahmud in der Bar, in der sie arbeitet. Sie ist 18, selbstbewusst und ungeniert, und als Mahmud ihr gleich im allerersten Satz mitteilt, so eine Scheißkneipe sei aber nicht der richtige Ort für eine Frau wie sie, kontert sie mit Ironie und Humor. Er fährt sie nach Hause, und sie fühlt sich sehr geborgen mit ihm. Ein Gefühl, das sie vorher kaum kannte.
Sie nähern sich an, sie kommen zusammen, sie verlieben sich und geraten aneinander. Mahmud verbietet Katja die Arbeit in der Kneipe. Der erste große Knall, der fast zur Trennung geführt hätte. Aber noch hat Katja die Fäden in der Hand. Sie leidet, sucht Mahmud und findet ihn. «Wenn du mit mir zusammen sein willst, musst du dein ganzes Leben verändern. Ich kann unmöglich mit einer Frau zusammen sein, die in Diskotheken geht, Miniröcke trägt und Alkohol trinkt. Ich möchte auch nicht, dass meine Freundin mit anderen Männern redet oder sich schminkt.»
a, sie habe ein Stück weit wissen müssen, worauf sie sich einlässt, das gibt Katja Schneidt unumwunden zu. Aber sie findet auch, dass man sich mit Menschen aus einem anderen Kulturkreis aufeinander zu bewegen müsse. Abstriche machen. Rücksicht nehmen. «Am Anfang denkt man: Man kann das. Wenn Sie dann merken, dass es nicht funktioniert und es schon zu Gewalt gekommen ist, dann ist es schon zu spät. Dann sind Sie schon in der Angst, und Angst lähmt.»
Was sie dennoch wütend macht, sind die typischen Kommentare, wenn Leute hören, dass sie in einer deutsch-orientalischen Beziehung Gewalt erfahren hat: dieses ‹das hättest du doch wissen müssen, wie kannst du dich mit so einem einlassen›. «Man ist Opfer und schämt sich sowieso, und dann wird man noch zum Buhmann. Nein, das weiß man nicht, es steht keinem auf die Stirn geschrieben!»
Die ersten Schläge gibt es, als sie zu spät von ihrer Mutter nach Hause kommt. Die Angstspirale aus Gewalt und Drohungen beginnt. Die Regeln werden immer dichter, erst das Verbot, mit Männern zu sprechen, dann lange Kleidung, Kopftuch, das Haus nur mit Erlaubnis verlassen. Zwischendurch Schläge und Rippenbrüche. usw. usw.
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