Die türkische Zeitung Hürriyet hatte es zuerst gemeldet: Die prominenten säkularen Stimmen der Soziologin Necla Kelek und der Frauenrechtlerin Seyran Ates werden nicht mehr dabeisein, wenn am 17.Mai 2010 die ,,Deutsche Islam-Konferenz" (DIK) unter dem Vorsitz des neuen Bundesinnenministers wieder zusammentritt. Thomas de Maziere hat das Gremium umgebaut und teilweise neu besetzt. Statt Grundsatzdebatten sollen jetzt konkrete Vereinbarungen etwa zum islamischen Religionsunterricht und zur Ausbildung von Imamen in Deutschland im Mittelpunkt stehen, die auf eine Gleichstellung islamischer Verbände mit den christlichen Kirchen hinauslaufen.
Auch nicht mehr dabei ist der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkaya. Der Verband wird von der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) dominiert, die von Verfassungsschützern als größte islamistische Organisation in Deutschland beobachtet wird. Staatsanwaltliche Ermittlungen gegen Milli-Görüs- Funktionäre hatten die erste Islamkonferenz zuletzt in Misskredit gebracht. Trotz wütender Proteste von Milli-Görüs-Generalsekretär Oguz Ücüncü, des Berliner Innensenators Erhard Körnig (SPD) und des Generalsekretärs des Zentralrats der Muslime (ZMD) Ayman Mazyek bot de Maziere dem Islamrat lediglich eine ,,ruhende Mitgliedschaft" an, die Kizilkaya ausschlug.
Als fünfter Verbandsvertreter neben dem Zentralrat, der deutschen Filiale der türkischen Religionsbehörde Ditib, dem Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) und der Alevitischen Föderation wird künftig, der für seine beharrliche tagespolitische Lobbyarbeit bekannte Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), Kenan Kolat, teilnehmen. Über den von Ditib gesteuerten Koordinierungsrat der Muslime (KRM), dem auch ZMD und VIKZ angehören, ist auch der Islamrat indirekt weiter mit an Bord. ,,Es soll keine langen Debatten mehr geben, mutmaßt die ebenfalls ausgeladene Gründerin der Initiative Säkularer Muslime, Ezhar Cezairli: ,,Aber dann bekommen die Verbände zu viel Einfluss."
Statt bisher vier ,,Projektgruppen" tagt zwischen den jährlichen Plenarsitzungen jetzt ein ,,vorbereitender Arbeitsausschuß", der ,,flexible Projektgruppen" berufen kann. Drei Zentren für islamische Theologie an deutschen Hochschulen zur Ausbildung solcher Vorbeter und von islamischen Religionslehrern hat kürzlich der Wissenschaftsrat empfohlen. Zwar lehnt die von Ankara gesteuerte Ditib, die bislang das Gros der über 2.000 hier tätigen Imame von türkischen Hochschulen importiert, eine Imam-Ausbildung an deutschen Universitäten ab, unterstützt aber die Etablierung islamischer Theologie an den Hochschulen. Die landespolitische Konkurrenz um Mittel und Lehrstühle ist in vollem Gange.
An der Universität Osnabrück baut Bülent Ucar, zugleich eines der zehn muslimischen Einzelmitglieder der Islamkonferenz, als Leiter des Zentrums für Interkulturelle Islamstudien ein Institut für Islamische Theologie auf, das in wenigen Jahren einen Imam- ,,Bachelor" und schon vom kommenden Wintersemester an eine einjährige Fortbildung für bereits tätige ehrenamtliche oder vom türkischen Staat entsandte Imame anbieten wird. Auf einer Osnabrücker Konferenz zur ,,Imamausbildung in Deutschland" Ende Februar forderte Ucar die Anerkennung des Islam als Religionsgemeinschaft und Körperschaft des öffentlichen Rechts; die erste Forderung versprach der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) mit einem Staatsvertrag alsbald zu erfüllen.
In Deutschland ausgebildete Imame würden nur akzeptiert, wenn die Muslim-Verbände bei der Entwicklung der Studiengänge mitreden könnten, sekundierte der Vorsitzende des Landesverbandes der Muslime in Niedersachsen, Ani Altiner. Wissenschaftlich-kritische Theologie ist dabei weniger gefragt. Das hatte schon 2008 die Boykott-Kampagne des KRM gegen den Münsteraner Religionspädagogen Muhammad Sven Kalisch gezeigt.
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