Eine Jura-Studentin der Universität von Kairo wurde am Campus von einer Gruppe ihrer männlichen Kommilitonen aggressiv sexuell belästigt wird. Sie hat auffallend langes blondes Haar und trägt enganliegende Kleidung. Schnell erregte die hübsche Frau die Aufmerksamkeit von hunderten männlichen Studenten – wohlweislich die geistige “Elite” des Landes -, die sie verfolgten und versuchten, ihr die Kleider vom Leib zu reißen. Der Film löste eine landesweite Diskussion aus.
Sie schaffte es bis zu den Toiletten, wo sie sich einsperrte. Die Campuswache verhinderte offenbar Schlimmeres und geleitete die Studentin dann sicher vom Unigelände.
Die Kontroverse um die Angelegenheit verschärfte sich, nachdem Dekan Gaber Nasser in einem Interview mit dem ägyptischen Privatsender ONTV erklärte, die Frau wäre eben „etwas unkonventionell“ gekleidet gewesen. Damit gab er indirekt dem Opfer des testosterongesteuerten Mobs auch noch die Schuld an dem Vorfall. Da änderte es auch nichts mehr, dass er rasch noch hinzufügte, die Kleidung rechtfertige diese Art der Belästigung aber nicht. Der Aufschrei wegen der offensichtlichen Schuldumkehr war groß und Nasser fühlte sich genötigt via Twitter mitzuteilen: „Ich versichere, dass dies nicht wahr ist und ich entschuldige mich für das Missverständnis und ich wiederhole, dass diejenigen, (die das Mädchen belästigten) streng bestraft werden.“
Die Frauenrechtlerin Mariam Kirollos twitterte, dass der Dekan erst „verhört und dann entlassen“ werden müsste und forderte eine sofortige Untersuchung des Vorfalls.
Und die Frauenrechtsaktivistin Soraya Bahgat sagte: „Ich finde es unglaublich empörend, dass der Kopf der wohl wichtigsten Universität in Ägypten sagte, dass ihre Kleider schuld waren. Das ist sehr beunruhigend – aber ein Teil von mir ist froh, dass das herausgekommen ist, denn es zeigt auf, was falsch läuft mit dieser Gesellschaft, die dem Opfer [der sexuellen Belästigung] die Schuld gibt für das, was passiert ist.“
Einige beliebte Talkshows griffen den Fall auf. Fernsehmoderator Amr Adib fragte fassungslos: „Bedeutet das, wenn ein Mädchen nackt ist, darf jeder sie bespringen?“
Aber es gab auch jene, wie den prominenten Fernseh-Talker Tamer Amin vom Privatsender Rotana al-Misr, der sagte: „Was will sie? Sie war angezogen wie eine Nutte.“
The Guardian schreibt:
Laut einer UN-Studie wurden bereits 99,3% der ägyptischen Frauen sexuell belästigt, 91% sagen, sie fühlten sich unsicher auf der Straße. Die Schuld wird dann häufig den Frauen angelastet, das Verbrechen selbst wird im ägyptischen Recht nicht richtig definiert, was die Strafverfolgung der Täter entsprechend erschwert. Wenn Frauen Belästigung und Körperverletzung zu Anzeige bringen, werden ihre Fälle von der Polizei nicht ernst genommen, nur eine Handvoll wird behandelt.
Nun kann man darüber diskutieren, ob das Verhalten der jungen Frau Mut oder doch schon Übermut war. Dennoch bleibt die Tatsache, dass es die Männer sind, die sich aggressiv verhalten und sich offensichtlich nicht im Griff haben. Aus der Sicht dieser islamverblendeten Gesellschaft hat die junge Frau provoziert und ist durch die Art ihres Auftretens quasi Freiwild. Trotzdem zeigt der Vorfall zweierlei: Noch kann in Ägypten eine derartige Diskussion öffentlich geführt werden, andererseits beweist die erste Reaktion des Dekans, wie tief der Islam in die Köpfe vorgedrungen ist. Und es zeigt das Rechtsverständnis von Menschen wie Gaber Nasser, der nicht nur Verfassungsrechtler ist, sondern in Ägypten eigentlich sogar als “Reformer” gilt.
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